Auf den Spuren der Lithografie. Ein über 200-jähriges, traditionsreiches Handwerk erlernen, bewahren und weitergeben.
Die Reise der Steine
Neues Jahr, neues Glück, neue Presse

Neues Jahr, neues Glück, neue Presse

Eine Corona-Pandemie geht auch an der Reise der Steine nicht spurlos vorbei. Und so war ich nach meinem lebensbejahenden Türkei-Aufenthalt vor die Tatsache gestellt, innezuhalten und aufkommende Widerstände anzuschauen. Für mich ging es also schnurstracks von Ankara nach Borsdorf – in die Nähe von Leipzig – zu meinen lieben Eltern. Neben meinen Umzugskartons befindet sich dort auch meine Lithografie-Presse. Endlich bekam sie nun die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt. Und ohne es am Anfang wissen zu können, haben sich die letzten Monate in Stille nicht nur als Krafttanken und Neugestaltung herausgestellt, sondern haben mich auch das Selbstverständliche wertschätzen lassen.

Meine gusseiserne Lady

Eine eigene Presse ist schon eine gute Voraussetzung für eine zukünftige Werkstatt. Wie es der Zufall so wollte, bekam ich im April 2021 einen Anruf von einem lieben Kollegen und Freund Wolfgang Vogel aus Ludwigshafen mit dem Hinweis, dass Wilhelm Hack Museum gäbe eine etwas in die Jahre gekommene Lithografie-Presse ab. Nach einiger Bedenkzeit entschied ich mich, gemeinsam mit meinem Papa diese gusseiserne Lady in den Osten zu holen. Der Transport einer Lithografie-Presse quer durch Deutschland ist schon ein Abenteuer. Wir wählten einen mittelgroßen Autotransportanhänger mit ausziehbaren Metallrampen und Seilwinde. Vor Ort erwarteten uns schon Wolfgang Vogel mit ausreichend Unterstützung sowie ein Hochhubwagen. Wir schwäbelten und sächselten, was das Zeug hält und waren glücklich, das Verladen der Presse schnell über die Bühne zu bekommen. Wir bauten eine Konstruktion aus einer Euro-Palette, um die Presse nicht nur besser mit dem Hubwagen manövrieren zu können, sondern um sie auch auf dem Anhänger zu stabilisieren. Und so waren wir nach ungefähr 2 Stunden Verladen schon wieder auf dem Heimweg. 1200 km und 12 Stunden später war der kleine Kurztrip gelungen und die Presse und wir wieder gut gelandet.

Restauration – aus Alt mach Neu

Nach der Abholaktion stand die Presse einige Monate bei meinen Eltern in der Garage und führte ihren Dornröschenschlaf fort. Nach meiner Rückkehr aus der Türkei im Dezember letzten Jahres war an eine Weiterreise zunächst nicht zu denken. Somit entschied ich mich, meine Presse zu restaurieren und weitere Utensilien für meine zukünftige Werkstatt zu organisieren. Dabei hatte ich natürlich die beste fachmännische Unterstützung, – meinen Papa. Auch meinen neuerworbenen Hubwagen lernte ich in den letzten Monaten sehr zu schätzen. Somit studierten mein Papa und ich täglich den Wetterbericht und nutzen jeden günstigen Augenblick, – d. h. kein Regen und Temperaturen über dem Gefrierpunkt, – um die Presse aus der Garage zu holen und an ihr zu arbeiten. Bei der Presse handelt es sich um eine „Wilhelm Ferdinand Heim“ Lithografie-Presse aus einer Maschinenfabrik in Offenbach. Meine Nachforschungen diesbezüglich haben mir bisher nicht die Resultate offenbart wie erhofft. Wer mehr über diesen Hersteller weiß, kann sich gerne bei mir melden.

Zurück zur Presse: Zunächst entfernte ich die alten Lackreste, Dreck und Rost mit Drahtbürste und Spachtel. Ich nutze einen Drahtbürstenaufsatz für die Bohrmaschine, um zügiger voranzukommen. Anschließend lackierte ich das Gusseisen mit einer Mischung aus Halböl und schwarzen Pigmenten. Das war ein wertvoller Tipp aus dem Hause Peter Stephans aka Grafikwerkstatt Dresden. Andere Lackfarben können natürlich auch genutzt werden. Das ist vom persönlichen Geschmack abhängig. Ich wollte bei meiner Presse eine natürliche Optik erreichen und eine „Überrestauration“ vermeiden. Auch die Antriebswalze, auf dem der Drucktisch aufliegt, säuberte ich mit Lösungsmittel und schliff hartnäckige Stellen mit 60er Schleifpapier ab. Anschließend mit Silikon einreiben, um die Walze vor Rost zu schützen

Generell habe ich im Zuge der Restauration die Presse wirklich kennengelernt und fühle mich befähigt, mit möglichen Komplikationen in der Zukunft umzugehen.

Danach widmete ich mich dem Drucktisch. Dieser musste auch von allerlei Dreck befreit werden, geschliffen und mit Halböl behandelt werden. Es kann vorkommen, dass sich das Holz der in die Jahre gekommenen Drucktische verzieht und der Tisch entweder unangenehm kippelt oder auf der Oberseite Unebenheiten sind. So war es auch bei diesem Exemplar. Mit filigranem Schleifen konnte ich dies etwas beheben. Jedoch werde ich in Zukunft eine OSB-Platte (auf dem Foto nicht zu sehen) auf den Tisch legen, um eine ebenmäßige Oberfläche zu haben. Noch habe ich damit nicht gedruckt. Drückt mir die Daumen, dass es klappt und keine weiteren Komplikationen hinzukommen. Dann baute mein Papa neue Ablagen für die Ablagebox sowie unter den Drucktisch. Somit habe ich zukünftigen Stauraum für Reiber und weitere Druckutensilien. Für die Reiber wird Ahorn- oder Kirschholz empfohlen, ist jedoch echt teuer. Eine Empfehlung, auch wieder von Peter Stephan ist es, Buche zu nutzen.

Der Schleiftisch

Neben einer Presse ist auch ein Schleifbecken ein wichtiges Arbeitsmittel. Gesagt, getan. Und so wurde aus einem Fischbecken, Holz und gleichschenkligen Stahlwinkeln ein astreines Schleifbecken mit integriertem Sieb und abnehmbaren Lattenrost. Der Abfluss wird dann montiert, sobald die Raumverhältnisse für die zukünftige Werkstatt geklärt sind. Ich freue mich schon meine ersten Steine schleifen zu können.

Ausblick: Wie geht es nun 2022 mit der Reise der Steine weiter?

Rückblickend merke ich, wie wichtig die Wintermonate waren, um die Erfahrungen der letzten Monate zu integrieren, das Erlebte zu würdigen, neue Visionen entstehen zu lassen und Liegengebliebenes aufzuarbeiten. Außerdem kann ich nur empfehlen, mit Anfang 30 für ein paar Monate bei den Eltern zu stranden, beschert einen nicht nur drei Mahlzeiten am Tag, sondern lässt einander auch neu kennenlernen. 😀

Die Raumsuche: Ja, diese hat sich als umfangreicher als gedacht herausgestellt. Im Suchprozess sind mehr Fragen als vorher gedacht aufgekommen. Fragen wie: Wo will ich die Werkstatt eröffnen? Wo möchte ich nach der Reise der Steine wieder ankommen? Was braucht der Raum und mit welchen Angeboten möchte ich dann nach Außen wirken? Bei diesen Fragen möchte ich mir die Zeit nehmen, die es braucht. Und ich bin mir sicher, in den nächsten Monaten während meiner Reise Antworten zu finden.

Und ja, die Steine kommen wieder ins Rollen. Nach so einem intensiven Winter geht es für mich ab April als Gasthörerin ein Semester an die Burg Giebichenstein zu Stephan Rosentreter. Direkt im Anschluss geht es nach Offenbach. Nicht nur das Hot Printing Festival liegt auf meinem Weg, sondern auch eine zweiwöchige Zusammenarbeit mit Eckhard Gehrman – Lithograph und Künstler. Dann geht es weiter nach Schweden zum diesjährigen Lithografiesymposium und den Sommer verbringe ich in der wunderschönen Werkstatt Haldenstein in der Schweiz. Die Herbst- und Wintermonate möchte ich mich dann ausschließlich dem Aufbau meiner Werkstatt widmen.

Fertig! Fehlt nur noch das Leder auf den Reibern.